Osterbotschaft

Osterbotschaft S.E. Metropolit Mark von Berlin und Deutschland 2020

Wo ist, Tod, dein Stachel? Wo ist, Hölle, dein Sieg? (1 Kor 15,55)
Auferstanden ist Christus!
Die allgemeine Auferstehung vor Deinen Leiden zu bezeugen… davon singt die
Kirche zehn Tage vor Ostern, da wir die Auferweckung des Lazarus und darauf den
Einzug des Herrn in Jerusalem feiern. Da schon feiern wir unsere allgemeine
Auferstehung. Die Welt aber wird in diesen unseren Tagen vom Fieber geschüttelt. Und
wir, wie haben wir die Große Fastenzeit durchlebt? Wie verlief für jeden von uns die
Karwoche? Gelang es uns mit der Seele in die Gottesdienste einzudringen – wo bleibt
die Einsetzung des Letzten Abendmahls, die zwölf Evangelien, das Heraustragen des
Grabtuches, die Ruhe des Großen Sonnabends? Wo ist unser allumfassender Ausbruch
ins Osterlicht, wo der dreimalige Kuss? In diesem Jahr ist alles nicht so, wie es bei uns
immer war, wie wir es gewohnt waren. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht berufen
sind, zu siegen, dass es den Sieger nicht gäbe. Im Gegenteil, das bedeutet, dass wir Ihn
in neuer Weise aufnehmen müssen. Sein Licht anders empfangen – noch stärker wohl.
Und tiefer.
Auferstanden ist Der, Der sagte: Ich bin das Licht der Welt (Joh 8,12). Die sterbliche
menschliche Natur ist durchdrungen vom Licht der Auferstehung Christi. Denn Gott ist
das Licht der Menschen, welches die Seelen aller seiner Kinder erleuchtet, die von oben,
vom Geist geboren sind. Für sie ist dieses unsterbliche Licht – das ganze Leben, Speise
und Trank, Kleidung, Rüstung, Sieg, Kranz, Freude, Ruhe.
Gekommen ist Christus – das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in die
Welt kommt. Er hat denen, die Ihn annahmen, die an Ihn glaubten, Macht gegeben,
Kinder Gottes zu sein (Joh 1,9.12).
Durch dieses lebenbringende Licht, das sich aus Christus ergießt, werden die Kinder
Gottes auch selbst zum Licht der Welt (Mt 5,14). Ja, das ist unsere Berufung.
Nach dem Gedanken des hl. Makarios des Großen ist «der im wahren und unaussprechlichen
Licht Geborene bereits vom ewigen „Tod ins ewige Leben
hinübergegangen (Joh 5,24)“». Das Licht, das im geborenen Kind Gottes verweilt, fließt
in unaussprechlicher Freude mit dem Licht zusammen, welches ewig vom Sohn Gottes
ausgeht – und durch dieses Licht treten wir in lebendige Gemeinschaft mit unserem
Himmlischen Vater.
Der Sohn Gottes, Christus, war in der Welt, und die Welt begann durch Ihn zu sein.
Jedoch erkannte die Welt Ihn nicht (Joh 1,10). Sie erkannte Ihn nicht nach dem eigenen
bösen Willen, nach dem Streben zur Sünde. Wie ein Blinder die Sonne nicht sehen kann,
so sehen auch die von der Wolke der Sünde Umgebenen wegen der Blindheit der Augen
des Herzens das Licht nicht. Sie dürsten nicht danach, es anzunehmen, streben nicht
nach dem Leben in der Wahrheit. Der Herr sprach: Wer Arges tut, der hasset das Licht
und kommt nicht an das Licht… (Joh 3,20). Die aber vom Heiligen Geist geboren sind,
kennen das wahre Licht und sehen es in Seiner Fülle und Schönheit, weil die Finsternis
der Sünde von ihnen entfernt ist, und die Decke von den Augen der Seele genommen.
In diesen lichten Tagen der Auferstehung Christi beten wir besonders dafür, dass in
unseren Herzen dieses wahre Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt
kommt, aufleuchte. Es ist gesagt: jeden. Also, gibt es in der Welt keinen Menschen, in
dem dieses Licht nicht wäre. In jedem Menschen können und sollen wir es finden – in
erster Linie in uns selbst. Wir müssen nur den Menschen erforschen, erkunden, uns
selbst bis zum Grund des Herzens, der Seele durchforschen und erkunden. In dieser
Tiefe ist jeder Mensch – Christ, Gottesträger, Christusträger, Lichtträger. In der Tat,
ihrer wahren Natur nach sind alle Menschen – Christus zugehörig.
In diesen lichten Tagen, liebe Brüder und Schwestern, ruft uns der Auferstandene Herr
auf, alle Dinge der Finsternis abzulegen – alle finsteren Gefühle, und finsteren
Gedanken, und Handlungen – damit wir selbst wirklich in Seinem Licht aufleuchten.
Wir glauben, dass dann das Dunkel der Sünde von uns weicht, das heute besonders zu
Tage tritt, wenn von der Krankheit die Rede ist, die die ganze Welt erfasst hat, und uns
zu trennen scheint, uns unseres gewöhnlichen Osterfestes beraubt. Das mag schmerzen,
doch dieser Schmerz ruft uns dazu auf, uns noch mehr durch das wahre Licht erleuchten
zu lassen, für das keine Wände, keine verschlossenen Türen ein Hindernis sind. Äußere
Hindernisse können den Christen nicht von der Liebe zu Christus trennen. Bei
verschlossenen Türen erschien der Auferstandene Herr Seinen Jüngern, die von Furcht
und Zittern ergriffen waren. Mögen sich durch diese neue innere Erfahrung die Türen
unserer Herzen noch weiter öffnen, mögen unsere Seelen schauend werden, frohlocken
und ausrufen: Wir haben das wahre Licht geschaut… Und allen Widernissen zum Trotz
erkennen, wovon der hl. Apostel Paulus zeugt: Wer wird uns scheiden von der Liebe
Christi? Bedrängnis oder Angst oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder
Gefahr oder Schwert? … Aber in dem allem überwinden wir weit um Deswillen, der uns
geliebt hat. Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch
Gewalten, noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Höhe noch
Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns wird scheiden können von der Liebe Gottes,
die in Christus Jesus ist, unserem Herrn (Röm 8,35.37-39).
Vernichtet ist die Finsternis, besiegt die Hölle, der Tod ist getötet in Ewigkeit, denn
Christus ist auferstanden!

+MARK, Metropolit von Berlin und Deutschland
München-Berlin
Ostern 2020

April 20, 2020